Themenzentrierte Interaktion

„Sich selbst ernst nehmen. Den anderen ernst nehmen. Die Sache ernst nehmen.“ Das ist das Wesen der Themenzentrierten Interaktion. Der Glaube an die Fähigkeit des Menschen, aus eigener Kraft sein Leben gestalten zu können, steht im Mittelpunkt der humanistischen Psychologie und dem von Ruth Cohn Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelten Ansatz der Themenzentrierten Interaktion. Obwohl sich in den letzten dreißig, vierzig Jahren die Welt und die Menschen gravierend und so schnell wie nie zuvor verändert und weiterentwickelt haben, sind die Anwendungsgebiete der TZI immer noch dieselben: in gesellschaftspolitischen Gruppenprozessen, als Führungsprinzip, als ressourcen- und zielorientierte Methode für Veranstaltungen und natürlich auch im gesamten Bildungs- und Ausbildungsbereich.

Dabei steht die Stärkung des WIR und des WIR-Gefühls wieder verstärkt im Blickpunkt, wenn es darum geht, die Balance zwischen den vier Elementen, die in jeder Beziehung wirksam werden, herzustellen: Eine Beziehung zwischen dem ICH, dem WIR, dem ES und dem GLOBE. Als Basis guter und wertschätzender Kommunikation baut die TZI ebenso wie der Bohm‘sche Dialog und die Gewaltfreie Kommunikation, die in Kommunikations-Tipps 1 bis 3 beschrieben wurden, auf der inneren Haltung auf. Siehe auch: https://www.ipi.co.at/kommunikations-tipps-1-gewaltfreie-kommunikation-i/ , https://www.ipi.co.at/kommunikations-tipps-2-gewaltfreie-kommunikation-ii-die-giraffensprache-fuer-kinder/ , https://www.ipi.co.at/kommunikations-tipps-3-dialog-warum-der-kreis-den-unterschied-macht/

Haltung basiert auf Werten

Im Zentrum steht auch hier die These des guten alten Viktor Frankl, die besagt, dass Werte nicht erlernt und nach Bedarf abgerufen werden können, sondern im täglichen Leben und der täglichen Interaktion mit anderen gelebt werden müssen. Die Themenzentrierte Interaktion (TZI) verbindet anthropologische Grundannahmen mit einer Theorie und Methodik des Führens. Mit dem TZI-Modell lassen sich Prozesse in Systemen (zum Beispiel Familie, Freundeskreis …), Gruppen, Teams, Unternehmen und auch Organisationen besser analysieren, planen, steuern und dadurch auch aktiv gestalten. Dabei im Zentrum stehen Kooperation, Persönlichkeitsbildung und verantwortliches Handeln bei der Bearbeitung sachlicher Anliegen und Aufgaben. Was dadurch möglich wird, ist ein Voneinander- und Miteinander-Lernen auf Augenhöhe.

Die TZI ist Ressourcen orientiert und fördert die Motivation und Kreativität auch im schwierigen Umfeld oder zu schwierigen Fragestellungen. Sie eröffnet neue Lernräume und fördert das Potential aller Beteiligten, indem jedes Mitglied die Verantwortung dafür übernimmt, in wie weit es sich einbringt und damit zum Ergebnis und letztendlich zum Erfolg des gemeinsamen Vorhabens – sei es ein Team-Meeting, ein Bürgerbeteiligungsprozess oder eine Konferenz zur Entwicklung neuer, innovativer Produkte oder einfach ein gemeinsames Nachdenken über verschiedenste Fragestellungen – beiträgt.

Die TZI fördert das WIR

Der Ansatz der Themenzentrierten Interaktion bringt alle Beteiligten in Kontakt mit sich selbst und den eigenen Stärken und stärkt dadurch das WIR und die Gemeinschaft. Ein besonderer Mehrwert für alle, die Menschen führen und diese in ihrer Entwicklung begleiten. Menschen in Bildung, Aus- und Weiterbildung profitieren ebenso wie Führungskräfte, Chefinnen und Chefs oder auch Leiterinnen und Leiter von Vereinen, Organisationen, Abteilungen. Indem die Maximen der TZI – Kompetenz, Motivation, Wertschätzung, Respekt vor dem Leben und Motivation und Kreativität – verinnerlicht werden und damit die eigene Haltung prägen, trägt das Konzept generell zu mehr Lebenszufriedenheit und Balance bei.

Die TZI eignet sich daher für alle Bereiche, in denen Menschen in Teams und Gruppen erfolgreich zusammenarbeiten wollen und sollen: im Bildungsbereich und der Pädagogik ebenso wie im Management von Organisationen und Unternehmen. Denn mit der TZI gelingt es:

Geschichte der TZI

Die Psychoanalytikerin und Pädagogin Ruth C. Cohn (1910 – 2012), eine gebürtige Berlinerin gründete in den Vereinigten Staaten die Themenzentrierte Interaktion. Sie war geprägt von Erfahrungen der NS-Diktatur und einem Leben in Emigration und gilt heute als eine der Großen der humanistischen Psychologie. Im Mittelpunkt ihres TZI-Modells stehen das ICH (Persönlichkeit) – das WIR (Gruppe) – das ES (Thema) und die äußeren Einflüsse (Globe)[1]. Mit Sicherheit war sie auch eine der Ersten, die heute populärwissenschaftlich verbreitete Thesen von der Einheit des Menschen als psychisches, biologisches und soziales System in die Entwicklung ihrer Modelle einbaute.

Sich der vier Elemente in einer Interaktion bewusst zu sein und alle gleich ernst zu nehmen, bietet vielfältige Möglichkeiten, Aufgaben und Sachthemen unter Beachtung der Rahmenbedingungen effektiv und lebendig zu bearbeiten. Im Zentrum dabei steht die dynamische Balance zwischen den vier Faktoren. Die Regeln der TZI, die Sie weiter unten zum Ausdrucken finden, gleichen jenen der Kernelemente im Dialog und erleichtern bei Einhaltung die Kommunikation bzw. die Verständigungs- und Verstehensprozesse. Sie eröffnen andere Formen des Lernen und Lehrens, indem nicht nur der „Kopf“ der Beteiligten angesprochen wird, sondern der gesamte Mensch mit seinen Bedürfnissen, Erfahrungen, seinem Wissen, seinen Gefühlen, Werten und Haltungen.

Wie wollen wir miteinander umgehen?

Die ethischen Richtlinien ihres Ansatzes orientierten sich für Ruth Cohn an den Fragen, wie der Mensch mit anderen Menschen leben soll, was er dazu beitragen kann und vor allem auch, was hinderlich ist für gute Beziehungen. Ähnlich, wie Marshall B. Rosenberg es mit seiner Gewaltfreien Kommunikation (GFK) definierte, die für ihn eine lebensbejahende Sprache ist. Zur Erinnerung: Diese entspricht dem Wesen des Menschen eher als die statische „Amtssprache“, eine für Rosenberg lebensentfremdende Sprache, die ihn in seiner Kindheit und Jugend umgab.

Ziel von Cohn ist es ähnlich wie bei Rosenberg, dass der Mensch Verantwortung übernimmt und sich aus dem „soll“ ein „ich will“ entwickelt. Die von Cohn dafür definierten Axiome[2] haben heute noch genauso Gültigkeit wie damals und gelten nach wie vor als Richtlinien für gutes und wertschätzendes Zusammenleben. Das TZI-Dreieck bewegt sich in den von diesen Axiomen geprägten Haltungen von Individuen und Kollektiven. Wichtig ist die Balance in diesem Dreieck[3]. Für Lernende heißt das nicht nur auf die Balance zwischen dem ICH, dem WIR und der Sache unter Einbeziehung der Umwelten zu achten, sondern auch ganz konkret auf die Balance zwischen Wissensaneignung sowie Training und Umsetzung des Erlernten in der Praxis.

Der Weg von der ICH- zur WIR-Qualität ist ein Gebot der Stunde!

Galt es nun zu Beginn der TZI, das ICH der Kriegs- und Nachkriegsgeneration so weit zu stärken, dass es in einem ausbalancierten Kräfteverhältnis und in der Beziehung zum WIR und der Sache gut bestehen kann, so meine ich, dass wir heute in einer Zeit angekommen sind, die eine Stärkung des WIR verlangt, da in vielen Bereichen unseres Lebens die Balance zwischen den drei Eckpunkten des TZI-Dreiecks und dem Globe nicht mehr gegeben ist.

Ausgehend von den neuesten neurowissenschaftlichen und kommunikationstheoretischen aber auch psychologischen Erkenntnissen, dass es gar kein ICH ohne WIR geben kann und alles in Beziehung steht – das mag auch Ruth Cohn mit Autonomie und Interpendenz bereits gemeint haben – ist es ein Gebot der Zeit, die Menschen wieder WIR-fähiger zu machen. Gerade so, wie der Zukunftsforscher Peter Spiegel[4] es einmal bei einer Veranstaltung im Innviertel sagte, als er meinte, dass wir wieder von der ICH- in eine WIR-Qualität kommen müssen. Und dabei meinte er nicht den Rückfall in die Ur-WIR-Beziehung[5], die frühe Mutter-Kind-Beziehung, in der sich beide über das WIR definieren – wir essen jetzt, wir baden jetzt …-, da diese, ganz im Gegenteil, die Gefahr des Verlustes der Eigenständigkeit in sich trägt. Vielmehr meinte er WIR-Beziehungen, die getragen sind von der Autonomie des ICH und des DU und geprägt sind durch Verantwortung darüber, was ich tue oder nicht tue, Empathie, Respekt und Rücksichtnahme.

Menschen sind soziale Wesen und wachsen in der Beziehung!

In den ersten Lebensjahren eines Kindes und im späteren Leben entstehen mit der zeit immer mehr ICH – oder Rollen, wie wir gerne sagen – und damit auch unterschiedliche Rollen im WIR. Diese haben diverse Prägungen, Intensitäten, Ablaufzeiten, die alle eines gemeinsam haben: Jeder und jede in diesen Gruppen trägt etwas an der Entstehung und zum Erhalt der Gruppe bei. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer brauchen sich gegenseitig, um als Gruppe bestehen zu können. Jedes dieser WIR, das im Laufe unseres Lebens entsteht, ist wieder für sich ein eigener Organismus, eine Gruppe mit bestimmten, unterschiedlichen Charakteristika, jedoch einer gemeinsamen Zielsetzung.

Deshalb ist es gerade in der Lehre und im Training auch besonders wichtig, sich in der Beginn-Phase einer Gruppenbildung viel Zeit zu nehmen. Manche Gruppenbeziehungen sind flüchtig und nach kurzer Zeit wieder vorbei, manche halten ein Leben lang. Wenn eine Gruppe kein gemeinsames Thema und kein gemeinsames Ziel mehr hat, wird sie sich zwangsläufig über kurz oder lang auflösen, auch wenn Tradition und Gewohnheit das Zusammenkommen noch eine Zeit lang hinauszögern können. Das kennt vermutlich jeder von uns aus dem Alltag.

Wertschätzende Kommunikation

Im Zentrum der TZI steht eine gute und wertschätzende Kommunikation. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Gruppenleiter, dem Moderator, dem Lehrer, dem Trainer zu. Und der bringt dabei seine Geschichte und Leitungserfahrungen – nicht nur das, was man in Ausbildungen, sondern auch in verschiedensten Rollen in unterschiedlichen Systemen wie Familie, Freundeskreis etc. lernt – immer mit ein. Geht gar nicht anders. Neutralität gibt es hier nicht, auch wenn man sich bemühen kann, alle gleich zu behandeln und den Rahmen so zu gestalten, dass Gruppe und WIR funktionieren können. Deshalb ist der Blick auf das ICH und die Reflexionsfähigkeit für die persönliche Führungs-Qualität enorm wichtig. Auch an dieser Stelle gilt wieder: wer mit sich selbst in Balance ist und sich selbst gut führen kann, kann auch andere gut führen. Also beim Führen und Begleiten anderer auch immer die Selbstführung im Blick haben!

Zum Abschluss der kurzen Einführung in die TZI noch die von Ruth Cohn definierten Regeln[6] zum Ausdrucken und Ausprobieren!

TZI Regeln

Anmerkungen

Literatur-Tipps

Individuelle und Gruppentrainings

Mehr zur Themenzentrierten Interaktion zu theoretischen Grundlagen und Übungen finden Sie auch in Band 4 der Reihe Soziales Lernen „Von der ICH- zur WIR-Gesellschaft“ zu finden im ipi-Buchshop unter https://www.ipi.co.at/ipi-shop/buch-soziales-lernen-4-von-der-ich-zur-wir-gesellschaft/ . Wir entwickeln auch gerne auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Lerntools und Seminare. Fragen Sie einfach an unter https://www.ipi.co.at/kontakt-2/

Interessante Infos und Angebote finden Sie auch auf der Ruth Cohn Homepage https://www.ruth-cohn-institute.org/was-ist-tzi.html Besonders spannend ist ein Interview, das Horst Heidbrink anlässlich ihres 80. Geburtstages mit Ruth Cohn führte. Zu finden in: Gruppendynamik, 23. Jahrg., Heft 3, 1992, S. 315-325 unter https://www.ruth-cohn-institute.org/files/content/zentraleinhalte/dokumente/Ruth%20Cohn/Interview/Interview_Ruth_Cohn.pdf

Miteinander und voneinander lernen!

In diesem Blog finden Sie regelmäßig Infos und Tipps rund um Kommunikationsthemen, das Lernen, Erziehung und Bildung. Wir freuen uns auch über Rückmeldung und Ihre Erfahrungen zu den jeweiligen Themen bzw. beantworten wir auch gerne Fragen unter www.ipi.co.at oder seinabalawieh@hotmail.de

Weitere Angebote: Dreistufiges Online-Coaching zum Thema „Kommunikation“

Zum Sonderpreis von € 150,00 plus 20% Mwst. für drei Online-Coaching-Stunden (a 45 Minuten) bekommen Sie eine Analyse Ihrer persönlichen Situation und einen Plan, den Sie im Alltag umsetzen und dazu. Zum Abschluss erfolgt eine gemeinsame Reflexion, Sie bekommen weitere Tipps und bei Bedarf können weitere Online-Coachings vereinbart werden.

Ablauf eines dreistufigen Coachings:

1. Coaching: Analyse Ihrer persönlichen Ausgangssituation und erste Tipps.

2. Coaching: Nach einer Woche Besprechung des individuell für Sie zusammen gestellten Umsetzungsplans und Leitfaden zur Umsetzung.

3. Coaching: Nach einem vereinbarten Zeitpunkt (frühestens nach drei Wochen) gemeinsame Reflexion der Umsetzung und Abschluss des Coachings bzw. bei Bedarf Vereinbarung weiterer Schritte. Wir gehen zum Abschluss gemeinsam den Fragen nach: Was war mein Ausgangspunkt? Was hat sich in der Praxis verändert und was ist jetzt anders? Was ist gelungen, was nicht? Wo brauche ich noch Unterstützung? Was möchte ich weiter intensivieren?

Schreiben Sie uns eine Mail office@ipi.co.at zur Terminvereinbarung für das Online-Coaching. Wir rufen Sie auch gerne an. Für das Coaching brauchen Sie nur ein Tablet mit Kamera und Mikrofon. Falls nicht vorhanden, sind auch telefonische Coachings möglich.

Kontaktformular: http://www.ipi.co.at/kontakt/