Im Jahr 1940 nach christlicher Zeitrechnung war die Welt mitten in einem Krieg, der Millionen Todesopfer forderte und dessen Greueltaten und Folgen bist heute nicht wirklich aufge- und verarbeitet wurden.

Mussolini und Hitler schmiedeten ihre Alianz gegen Großbritannien, Dänemark und Norwegen wurden von deutschen Truppen besetzt. In Warschau wurden mehr als 400.000 Juden in ein Ghetto gesperrt. Gegen Jahresende gab der deutsche Führer das Startsignal für den Überfall auf die Sowjetunion, die Aktion ging als der „Fall Barbarossa“ in die Geschichte ein. Fast zeitgleich fand in den USA die Uraufführung der Filmsatire „Der große Diktator“ statt. In der Titelrolle Charlie Chaplin. Und im Innviertel erblickten der kleine Franz Konrad und seine Zwillingsschwester Getrude mitten in den Kriegswirren das Licht der Welt. Der Papa weit weg an der russischen Front.

Die Balinesen starteten am 17. März 2018 ins Neue Jahr, der Chakra-Kalenderzählung nach ist es das Jahr 1940. Abseits der politischen und wirtschaftlichen Krisenherde im Nahen Osten, Südamerika und weltweit verstreuter regionaler Konflikte lebt die Welt derzeit im Frieden. Das Friedenssicherungs-Projekt der UNO trägt seine Früchte. Und auch die Europäische Union hat sich in ihrer Charta der gemeinsamen Friedenssicherung in der Welt verschrieben. So können die Menschen auf Bali zu recht fest daran glauben, dass das Jahr 1940 ein gutes Jahr werden wird. Trotz leicht schwächelndem Rupiah, kurzfristigen Rückgängern im Tourismus zu Jahresende 2017 (1939) aufgrund der leichten vulkanischen Aktivitäten am Mount Agun und einer kleinen Wirtschaftsflaute, wie den aktuellen lokalen Zeitungen zu entnehmen ist, sind die Balinesen optimistisch und tun ihr Bestes dazu, dass ihre guten Vorhaben für das neue Jahr gelingen mögen.

Bereits ein paar Tage vor Nyepi beginnen die Festslichkeiten. Überall auf den Straßen tummeln sich Menschen in Festagskleidung, die Jungen und Männer tragen alle den traditionellen Udeng. Auch die ganz Kleinen begegnen – vielleicht zum ersten Mal – den Riten, die sich rund um Neypi Jahr für Jahr abspielen, sind aber mit Feuereifer dabei.

Der Saka-Kalender oder Caka-Kalender, wie er auch genannte wird, stammt ursprünglich aus Südindien und kam mit dem Majapahit-Königreich im 14. Jahrhundert nach christlicher Zeitrechnung über Java nach Bali. Das Jahr richtet sich nach der Sonne, die Monate nach dem Mond. Jahresanfang ist ist der Tag nach dem Neumond, der den neunten Mondmonat beendet. Das neue Jahr beginnt also immer im März oder Anfang April.

Nach den Reinigungsritualen und Opferzeremonien und Spendenbesuchen in den Tempeln der Umgebung des jeweiligen Dorfes, werden am Vorabend des Neujahrtages riesige Ogoh-Ogohs durch die Straßen vertragen, begleitet von lauter Gamelan-Musik und neugierigen Besuchern, zu denen sich auch in den letzten Jahren immer mehr Touristen gesellen. Die Monster sind Sinnbild für die überirdischen Kräfte, die die Welt und die Natur beherrschen – trotz allem technischen Fortschritt von Menschenhand nicht plan- und nicht steuerbar. Am Ende der Veranstaltungen wird so mancher der monatelang liebevoll gestalteten Geister nach alter Tradition durch das Feuer dem Universum zurück gegeben. Die anderen kann man oft Tage danach in den Straßen rund um die Tempelanlagen noch bewundern.

Am Tag der Stille, dem ersten Tag im neuen Jahr, steht das Leben auf Bali wirklich still. Kein Licht und kein Feuer, kein Flug-, Auto- und Schiffsverkehrt, kein Fernsehen, kein Radio, niemand darf auf die Straßen. Das gilt auch für die Touristen, die diesen Tag innerhalb der Hotelanlagen verbringen müssen. Der Grund? Natürlich die Geister – sie sollen, wenn sie an der Insel vorbei reisen,  davon abgehalten werden, auf Bali Halt zu machen. Die Balinesen denken, dass Geister mit einer vermeintlich unbewohnten Insel – und den Eindruck wollen sie am ersten Tag des Jahres durch die Stille vermitteln –  nichts anzufangen wissen und diese den Rest des Jahres meiden.

Am Tag nach der Stille kehrt auf der Götterinsel für die nächsten 364 Tage der Alltag wieder ein – mit dem Lärm, der den Menschen hier nichts auszumachen scheint. Mit der durch den extremen Auto- und Mopedverkehr mit Feinstaub belasteten Luft, mit den täglichen Staus, die rasches Vorwärtskommen unmöglich machen und mit der gelebten Spiritualität, die Jung und Alt auf Trab hält. Denn geopfert, gespendet, gebetet und Geister beschworen wird das ganze Jahr über. Den ersten „öffentlichen Tag“ begehen viele Balinesen, wenn es die Zeit erlaubt, mit einem morgendlichen Bad im Meer. Günstig, wenn dieser auf einen Sonntag fällt, da viele frei haben und mit ihren Familien zu Sonnenaufgang in die Bali-Bay oder an einen anderen Strand fahren können. Zum Glück ist zu Jahresbeginn 1940 High Tide in den Morgenstunden. Am Nachmittag, bei Ebbe, liegt die Bucht im Trockenen.

Das Business as usual hat am Tag nach Neujahr wieder Oberhand, fast immer begleitet von der Fröhlichkeit der Menschen und einem netten Balilächeln. Mehr zu Bali im Beitrag „Wo die Götter wohnen“.