Mit MUT der Angst begegnen

„Nicht weil es schwer ist wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer.“
Seneca

Die Ultratrail-Läuferin Annabel Müller ( http://www.annabelmueller.de ) beschreibt in ihrem Online-Mindest-Trail-Kurs in Etappe 19 zum Thema Mut, wie sie in der dritten Nacht des Suisse Iron Trails im Nebel einem Geist begegnete, der beim Näherkommen immer durchsichtiger wurde und sich schließlich auflöste, als sie durch ihn hindurchlief. Ein schönes Bild, eine Metapher dafür, wie es gelingen kann, mit Ängsten konstruktiv umzugehen und sie vielleicht sogar als positive Energieressource nutzen zu können. Was es in jedem Fall braucht – und Annabel bringt nicht umsonst dieses Beispiel in der Etappe zum Schwerpunkt Mut – ist eine ordentliche Portion MUT.

Das Wort „Mut“ trägt die indogermanische Wortwurzel „mo“ in sich, was so viel bedeutet wie „sich mühen, starken Willens sein, heftig nach etwas streben“. Das althochdeutsche Wort „muot“ bedeutet „Sinn, Seele, Geist, Gemüt, Kraft des Denkens, Empfindens, Wollens“. Eigenschaften, die unserem heute gebräuchlichen Wort „Mut“ immer noch innewohnen.

Bereits die alten Griechen haben sich in ihren philosophischen Arbeiten mit der Frage beschäftigt, was Mut ausmacht. Der Philosoph Aristoteles beispielsweise schrieb, dass mutig sei, wer sich den richtigen Dingen aus den richtigen Gründen auf die richtige Art stelle. Und zwar mit reinem Gewissen und zur richtigen Zeit. Mut bedeutete für ihn: Einem Risiko mit einer angemessenen Handlung zu begegnen und damit ein Ziel erreichen zu wollen. Davon geht auch die moderne Mut-Forschung heute aus. Immer dann, wenn die Erreichung des Ziels im Vordergrund steht, ist Mut im Spiel. Sobald man das Ziel aus den Augen verliert und die Konzentration in Richtung Angst abschweift, verlässt uns der Mut und Ängste ergreifen Besitz von uns. Wir reagieren dann mutlos, oft panisch und unberechenbar. Abhilfe schaffen regelmäßiges Mut-Training – auch hier empfiehlt sich der Weg der kleinen Schritte (nicht gleich vom Zehnmeterbrett springen, sondern am Beckenrand beginnen!) – und gute Vorbereitung auf angsteinflößende Situationen.

Sich vorzustellen, was in der Angstsituation, der wir mit Mut begegnen wollen, das Schlimmste wäre, was passieren kann und dann dafür einen Notfallplan mitzuhaben, hilft. Eine realistische Einschätzung der Situation, vor der wir Angst haben und der möglichen Szenarien, die tatsächlich passieren können, kann bereits Druck reduzieren und die Angst kleiner werden lassen. Denn ein bisschen Angst zu haben, ist gar nicht so schlecht. Es erhöht unsere Aufmerksamkeit auf das, was kommt und steigert die Achtsamkeit. Auch hier macht, wie in vielen Bereichen unseres Lebens, die Dosis das Gift.

Wie kann ich mit Angst umgehen?

Angst soll und kann man auch gar nicht einfach wegschieben und auflösen. Aber man kann sie in die richtige Relation zur tatsächlichen Situation bringen. Angst ist sehr persönlich und muss ernst und angenommen werden. Sie muss bewusst wahrgenommen werden und darf Platz in unserem Leben haben. Manchmal schützt uns dieser Naturinstinkt vor schlimmen Folgen. Wenn die Angst zu groß wird, ist sie aber lähmend und kann uns, hält sie über längere Zeit unseres Stresspegel hoch und damit die freien Radikalen in uns im Spiel, krank machen. Angststörungen müssen auf alle Fälle therapeutisch behandelt werden. Mit den „normalen“ Ängsten in unserem Alltag kann man auch in Eigentraining besser umgehen lernen.

Hilfreich ist, wenn wir spüren, dass uns die Angst wieder zu überkommen und zu lähmen droht, den „Schalter umzulegen“ und halt zu sagen. Und dann eine Übung – das heißt, eine Zeitspanne wischen Reiz und Reaktion – einzulegen, um unser Nervenkostüm zu beruhigen. Es gibt unterschiedlichste Methoden dazu. Auch Trainings und Coachings können helfen.

Mit regelmäßigem Training Angst besiegen

Hier nur zwei ganz einfache Übungen, mit denen man selbst rasch reagieren kann, sobald Angst in uns hochkriecht und uns zu lähmen droht.

Über unseren Körper funktioniert Beruhigung am besten durch eine Atemübung. Sie kennen wahrscheinlich genügend davon. Meine Lieblingsübung ist die Pranayama Atemübung, die überall und zu jederzeit angewandt werden kann und rasch zur gewünschten Entspannung führt. Sechs Sekunden tief einatmen durch die Nase, sechs Sekunden die Luft anhalten, sechs Sekunden tief ausatmen durch den Mund und sechs Sekunden nichts. In diesen letzten sechs Sekunden kann die Schwere abfallen und die Leichtigkeit in uns kommen. Wenn es leichter fällt, sprechen Sie in Gedanken „ich werde leer, leer, leer, leer“.  Beliebig oft wiederholen, mindestens aber fünfmal!

Für die mentale Bearbeitung der Angst, also die Bearbeitung über unseren Geist kann man beispielsweise ein Ballon-Bild benutzen, um die aufgeblasene Angst wieder in die richtige Dimension zu bringen. Dazu brauchen Sie für das Training einen Luftballon, den sie aufblasen. Entweder Sie blasen in diesen Angst-Ballon Ihre Angst hinein, bis er platzt oder Sie lassen nach dem Aufblasen die Luft langsam wieder heraus und machen den Ballon damit kleiner und kleiner, kleiner und kleiner. So lange, bis die Angst wieder die „richtige“ Dimension hat und Sie nicht mehr lähmt. Wenn Sie regelmäßig üben und das Bild und den Entspannungszustand in Ihrem Gehirn abspeichern, brauchen sie bald keinen „echten“ Ballon mehr. Dann reichen die Vorstellungskraft und das Ballonbild in ihrem Kopf, damit die überdimensionale Angst wieder kleiner, akzeptabel und annehmbar wird.

In beiden Übungs-Beispielen können wir durch das Üben den Fokus von der Angst wieder auf das Ziel lenken und mutig versuchen, dieses zu erreichen. Wer das Ziel im Auge hat und nicht die Angst, ist automatisch mutig und kann Dinge schaffen, die er sich in Angstzuständen nicht zutraut.  Beide Übungen sind nur Beispiele für eine Vielzahl an Möglichkeiten, in der Sie die für sich geeignetste finden können. Wichtig ist, dass es Übungen sind, die ohne große Hilfsmittel immer und überall anwendbar sind, wenn uns Ohnmacht und Mutlosigkeit übermannen. Wer regelmäßig trainiert, kann generell Ängste verkleinern und hat einen wesentlich entspannteren Umgang mit schwierigen Situationen! Mehr Mut und weniger Angst. Das wäre doch was? Die Entscheidung liegt bei Ihnen!