„Damit ich den Beipackzettel lesen, kann, wenn ich Tabletten schlucken muss.“ „Wenn ich einkaufen gehe, kann ich die Namen der Produkte verstehen und auch lesen, was drauf steht auf der Verpackung“. „Wenn ich eine Maschine kaufe, kann ich dann auch die Beschreibung auf dem Zettel, der da immer dabei ist, verstehen.“ „Und… das Lesen ist wichtig, damit ich mal eine gute Arbeit finde und lesen kann, wenn mein Chef etwas aufschreibt.“ So oder ähnlich lauten die Antworten der Mädchen und Burschen der Volksschule Schneegattern, wenn man sie über die Bedeutung der Lesekompetenz für ihr späteres Leben befragt.

Acht Jahre alt war er noch nicht ganz, als Ali ins Leseprojekt einstieg. Heute ist er fast elf Jahre alt und am Sprung in die neue Mittelschule. Mit im Gepäck die Freude am Lesen und die Fähigkeit, auch bereits schwierige Texte flüssig lesen und auch verstehen zu können. Seine Lesepartnerin Helga hat er während der drei Jahre im Projekt lieben gelernt. Sie ist heute seine Oma vor Ort. Und einen Opa, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verbindet, gibt es oben drauf. Der junge Mann besucht die beiden regelmäßig und hat bei diversen Ausflügen viel Spaß mit den Oldies. Dass er von Opa schwimmen gelernt hat, darauf ist Ali besonders stolz. Mittlerweile kommt sein Bruder Yusef in den Genuss der Begleitung durch Leseoma Helga. Und mit Opa darf er wandern gehen und die Natur im Innviertel kennen lernen. Und die kleine Yana, die bald fünf wird, hat sich auch schon angemeldet bei Lese-Oma zum Lesenlernen.

Die Lesepartnerinnen und Lesepartner unterstützen zusätzlich zum Unterricht seit einigen Jahren Volksschulkinder beim Erlernen dieser wichtigen Grundkompetenz. Oft schlüpfen die Eltern selbst in diese Rolle. Bei Bedarf helfen ehrenamtlich tätige Lese-Omas und -Opas die Kinder. „Weil wir wissen, wie wichtig es für ihr späteres Leben ist, dass die Kinder jetzt gut lesen lernen“, sind sich die ehrenamtlichen Lesepartnerinnen Erika Stütz und Helga Konrad einig, warum sie so viel Freizeit in Lesestunden für fremde Kinder investieren. Die Kinder profitieren von sehr viel Zeit und ungeteilter Aufmerksamkeit, Zuwendung und individueller Betreuung, die sie von den älteren Frauen erhalten und die Seniorinnen profitieren von den kleinen Leseratten, die sie manchmal ganz schön fordern. Und gemeinsam wird auch viel geblödelt und gelacht, was allen gut tut. Besonders wertvoll sind auch der Generationen übergreifende Ansatz und die neuen Beziehungen zwischen Familien, die daraus entstehen.

„Wir wollen Lust aufs Lesen machen, die Kinder beim Lesenlernen außerschulisch unterstützen, Anregungen für gemeinsame Lesevorhaben geben und auch Eltern ein Stück weit in der verantwortungsvollen Erziehungsarbeit begleiten“, sind für die Initiatorinnen des Leseprojektes, Martina Vietz und Edith Konrad Gründe, warum sie sich seit 2014 ehrenamtlich in der Gemeinde in diesem von ihnen initiierten Projekt engagieren. Und weil das Lesen zu den grundlegenden Kulturtechniken zählt, unterstütz LAbg. Bürgermeister Erich Rippl von Beginn an das Projekt, das als Pilotprojekt startete und seither nachhaltig in der Gemeinde von den Initiatorinnen weitergeführt wird. Die Gemeinde stellt die Bücher zur Verfügung und die Raika sponsert kleine Geschenke für besonders fleißige Leserinnen und Leser.

Mittlerweile ist viel entstanden. Die Volksschule Friedburg hat die Projektergebnisse in den Unterricht integriert. Die Volksschule Schneegattern wird seit 2015 von den ehrenamtlichen Initiatorinnen unterstützt. Mehr als 100 Kinder machten bisher beim Leseprojekt bereits mit.

Gelesen wird nach dem Unterreicht während des Schuljahres an zwei Nachmittagen in der Woche. Zur Verfügung stehen altersgerechte Bücher und dazu ausgearbeitete begleitende Unterlagen, mit denen das Gelesene vertieft und das Leseverständnis überprüft werden können.  Seit 2016 gibt es darüber hinaus am Gemeindeamt eine kleine Bücherstube, in der große und kleine Leseratten jeden Freitag Bücher ausleihen können.

Karola Höhenwarter, Heidi Nussbaumer, Johanna Esser und Maria Baumann sind zu den Öffnungszeiten abwechselnd anwesend und kümmern sich um den reibungslosen Bücherverleih, der kostenlos ist. Darüber hinaus gab es für alle Interessierten einmal im Monat von „Lesefee“ Heidi Helminger spannende Märchen und Geschichten in der Bücherstube zu hören und zum Nachspielen.

„Lesen öffnet viele Türen und ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen sich an allen gesellschaftlichen Prozessen beteiligen können“, sind sich alle einig. „Mit dem Pilotprojekt wird die Öffnung der Schule und die Vernetzung mit dem System-Umfeld der Schule vorantrieben und es werden nachhaltige Strukturen der Zusammenarbeit mit anderen Systemen – wie Eltern, Helfersystem und Anbieter/-innen von Unterstützungsangeboten, Erwachsenenbildung, öffentliche Verwaltung und Zivilgesellschaft, etc. – im ländlichen Raum aufgebaut“, fassen die Trainerinnen Martina Vietz und Edith Konrad eine weitere Zielsetzung zusammen.

Bausteine des Leseprojektes