Wer gut fragt, führt gut!

„Andere beherrschen erfordert Kraft. Sich selbst beherrschen erfordert Stärke.“

Laotse

 

Dass gutes gesellschaftliches Zusammenleben im täglichen Umgang miteinander nicht immer leicht ist – davon können wir alle ein Lied singen. Sowohl im Privaten als auch in der Arbeit. Besonders dort halten sich aber viele von uns einen Großteil der Lebenszeit auf. Zumindest jene, die sich im Haupterwerbsalter befinden und einem Vollzeitjob nachgehen oder auch mehrere verschiedene Funktionen innehaben.

Missverständnisse, Aneinander-Vorbeireden, nicht wirklich Hin- und Zuhören prägen sehr oft den (Arbeits)Alltag und sorgen für Unmut, Verstimmungen, Verletzungen und manchmal auch schlechtes Betriebsklima. Hier hat natürlich jeder seinen Beitrag zu leisten, da es in der Begegnung zwischen Menschen auch Eigenverantwortung gibt. Eine zentrale Rolle im Kommunikationsprozess im Unternehmen nimmt aber die Führungskraft ein.

Haben Sie schon einmal einen Vorstandschef eines Bauunternehmens Ziegeln schleppen sehen?

Nicht umsonst heißt es, wer gut fragt, führt gut. Im Grunde ist Führungsarbeit fast zu 100 Prozent Kommunikationsarbeit. Oder haben Sie schon einmal in einem großen Bauunternehmen den Geschäftsführer oder Vorstandschef auf der Baustelle Ziegel schleppen sehen? Nein, die Aufgabe der Führungskräfte in jedem Unternehmen ist es, die definierten Werte vorzuleben und permanent durch gute, empathische Kommunikation dafür zu sorgen, dass der Laden läuft.

Einfach gesagt, aber manchmal schwer umzusetzen: Jeder von uns kennt das Gefühl, etwas zu sagen, doch mit den Botschaften nicht anzukommen. Wir reden aneinander vorbei. Hören nicht zu. Glauben zu wissen, was der andere meint und meinen nicht selten, die Wahrheit gepachtet zu haben. Vor allem vor letzterem ist niemand – auch Führungskräfte nicht – gefeit. Nur zu schnell wissen wir in der Regel, dass der andere schuld ist, was das Gegenüber falsch macht ohne darüber nachzudenken, was man selber zum Misslingen des Gespräches in der konkreten Situation beigetragen hat. Schubladendenken und Vorurteile erschweren unseren Alltag und verhindert oft eine qualitätsvolle Interaktion mit und eine gute Beziehung zu anderen.

Wertschätzende Kommunikation braucht Zeit!

Kommt hinzu, dass in Unternehmen oft schnelles Handeln im Vordergrund steht und für langwierige Kommunikationsprozesse keine Zeit ist. Schon gar nicht, wenn es um Befindlichkeiten geht. Gut beraten ist jedoch, wer sich gerade in schwierigen und Krisenzeiten dafür entsprechend Zeit nimmt. Das ist gerade jetzt in Nach-Corona-Zeiten ein absolutes Muss – auch bei Führen auf Distanz im Homeoffice beziehungsweise gerade in schwierigen Zeiten. Eigene Ängste, die sehr häufig aus Kontrollzwang entstehen, können gute Kommunikation blockieren. Also gilt es erst einmal, selber mit sich im Klaren zu sein, um in die Kraft zu kommen, andere zu führen und zu motivieren, den schwierigen Weg mitzugehen.

Die PERMA – Regeln, ein Instrument aus der positiven Psychologie, das die Theorie des Wohlbefindens von Martin Seligman (siehe Literatur-Tipp unten) als Grundlage hat, ist beispielsweise ein hilfreiches Instrument zur Selbststärkung, das jeder ohne viel theoretischen Background anwenden kann. Folgende Parameter ständig im Blick zu haben und das Positive vorzuleben stärkt uns selbst und gleichzeitig auch die Beziehung zu anderen:

  • P steht dabei für Positive Emotion, Optimismus durch Dankbarkeit, Genuss, Zuneigung etc.
  • E für Engagement, also Aufgaben, mit denen man sich identifiziert und die man im richtigen Modus, im Flow (ohne Über- oder Unterforderung) ausüben kann,
  • R für Relationship, positive Beziehungen, die uns tragen. Mit Menschen umgeben, auf die man sich verlassen kann, die Kraft und Energie geben und denen man auch Unterstützung und Nähe geben kann, das macht glücklich
  • M für Meaning, also den Sinn oder die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit bzw. unseres gesamten Schaffens. Dabei besonders die kleinen Erfolge im Auge haben!
  • A für Achievment/Accomplishment – Leistung und Zielerreichung. In kleinen Schritten aber auch in Hinblick auf unser Lebensziel. Was wollen wir, wenn wir am letzten Tag unseres Lebens Bilanz ziehen könnten, erreicht haben. Woran soll sich die Nachwelt erinnern?
 

Selbstreflexion ist anstrengend, aber sie stärkt!

Generell gilt: Wer sich selbst gut kennt, über seine mentalen Modelle Bescheid weiß, seine Vorurteile reflektieren, Perspektiven wechseln und auch andere Wertemodelle anerkennen kann, ja, vielleicht sogar neugierig darauf ist, tut sich im Lebens- und Arbeitsalltag leichter. Denn dann sind wir in Balance mit uns selbst, oder wie man umgangssprachlich so schön sagt „im Reinen mit uns“. Wir sind geerdet, mit beiden Beinen am Boden der Wirklichkeit und gut für stürmische und bewegte Zeiten gewappnet. Auch wenn Krisen, wie jene im Frühjahr 2020 uns aus dem Gleichgewicht zu werfen drohen.

Dann kann uns so leicht nichts aus der Bahn werfen. Weder Krisen, noch extremer psychischer und physischer Stress, noch Schicksalsschläge. Wir sehen trotz all dem Chaos um uns rum immer das halb volle und nicht das halb leere Glas, erkennen vermeintliche Probleme als Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Mit dem richtigen Mindset gelingt es, die Veränderungen anzunehmen und als Parameter zu verstehen, an denen wir wachsen und uns weiter entwickeln können. Menschen, die sich diese Einstellung erhalten, sind resilienter und überstehen Krisen leichter.

Ich muss selber fit sein, um andere führen zu können!“

Angeregt dazu, das Wissen aus drei Jahrzehnten Forschung, Seminaristik, Beratungsarbeit und Coaching zu sammeln, hatte mich ein Tour-Guide, mit dem wir 2015 durch den Dschungel Zentral-Sumatras auf der Suche nach den letzten Orang-Utans streiften. In einem Gespräch über die Arbeit der Dschungel-Führer sagte er: „Wenn ich selber nicht geistig und körperlich 100 Prozent fit und gesund bin, kann ich diese Tour mit den Touristen nicht machen. Das ist Voraussetzung und meine Verantwortung meinen Gästen gegenüber, die sich mir anvertrauen.“

Die Aussage hat mich damals sehr berührt, weil sie von einem sehr anspruchslosen und bescheidenen Menschen, der keine großartige Schulbildung oder Ausbildung absolvieren konnte und sich und seine Familie mit Gelegenheitsjobs durch Leben bringen musste, aus tiefsten Herzen und mit vollster Überzeugung gesprochen wurde. Sie offenbarte für mich wieder einmal das Geheimnis, dass all unser Tun und unsere Kommunikation, die unser wertvollstes Instrument im Miteinander ist, bestimmet: nämlich unser Menschenbild, das dafür verantwortlich ist, dass wir das, was wir tun, auf die Weise tun, wie wir es tun. Haltung und Werte bestimmen das persönliche Verhalten und wirken auf andere.

An dieser Stelle ist die Vorbildwirkung von Führungskräften in Unternehmen nicht zu unterschätzen und ein wichtiger Indikator für das Betriebsklima und den respektvollen Umgang der Menschen miteinander in einem Betrieb. Führungskräfte sind Vorbilder, sie handeln durch Kommunikation. Daran führt kein Weg vorbei.

Klarheit, Beziehung und Purpose.

Was dabei neben den PERMA-Parametern im Auge zu behalten ist, sind im Wesentlichen drei Prinzipien: Klarheit, Beziehung zu den Mitarbeitern und der Purpose der Firma. Das Sender-Empfänger-Prinzip, auf dem Kommunikation vereinfacht, schematisch dargestellt immer noch funktioniert braucht vor allem in Krisenzeiten (aber auch sonst) kurze, klare Botschaften. Weniger ist dabei mehr. Klare Regeln müssen in verständlicher Sprache mit entsprechender Körpersprache an den Empfänger gebracht werden. Je mehr Wiederholungen umso besser. Gute Redner aber auch Populisten kennen dieses Prinzip und beherrschen die Technik. Ein gutes Beispiel dafür ist der im November 2020 abgewählte ehemalige amerikanische Präsident, der, egal wie man zu ihm steht, dieses Handwerk beherrschte.

Das zweite Prinzip, die Gestaltung einer guten Beziehungsebene, dürfte ihm weniger vertraut gewesen sein. Empathie und Offenheit bzw. vertrauensvoller und respektvoller Umgang mit Mitmenschen waren nicht seine große Stärke, wie er fast täglich während seiner Amtszeit bewies. Wer selber Schwächen eingestehen kann und sich da und dort verletzlich zeigt, wirkt authentisch und hat Charisma. Das ist für jedes Individuum identitätsstiftend und schafft Möglichkeiten der Identifikation für andere.

Der Purpose, also die Mission bzw. der Zweck, warum wir tun, was wir tun, ist das, was in der Kommunikation im Unternehmen an oberster Stelle stehen muss. Visionen und Werte sind die Basis, doch die zentrale Frage ist die, warum wir – auch als Führungskraft – tun, was wir tun. Wer die Mission seines Unternehmens den anderen vermitteln kann, hat viele treue Weggefährten an seiner Seite, die daran motiviert mitarbeiten. Wichtig dabei ist, immer wieder inne zu halten, zu reflektieren, und zu adaptieren, aber auch kleine und größere Erfolge auf dem Weg zusammen zu feiern.

Achtsam, wachsam und dadurch wirksam sein – Anregungen für Trainings!

Aus bewährten Denkmustern hinausdenken, manchmal auch querdenken, kann man lernen. Durch Reflexion eigener Denkmodelle und neue Kommunikations-muster. Die Kernkompetenzen des Bohmschen Dialoges beispielsweise bringen mehr Qualität in der Interaktion und Beziehung zu uns selbst und zum Gegenüber. Im Mittelpunkt dabei stehen ganz einfache Dinge wie Verlangsamung, das Zuhören, Respekt vor dem Anderen, die Meinung des anderen stehen lassen können, nicht permanent zu werten und zu bewerten und offen und vertrauensvoll zu agieren. Dadurch durchbrechen wir unliebsam gewordene Automatismen, lernen besser mit unseren Ressourcen zu haushalten und mit permanenter Überforderung umzugehen.

David Bohm bezeichnet den Dialog als Kunst, gemeinsam über etwas nachzudenken. Er beschreibt ihn in seinem Buch als offenes Gespräch am Ende der Diskussion. Im Dialog – das konnten wir in dem Artikel über den Dialog, den Sie auch in dieser BLOG-reihe finden, im Detail sehen – geht es darum, eigene Denkspuren zu erforschen und Grenzen der herkömmlichen und viel geübten Kommunikation zu überschreiten. Management-Gurus aus aller Welt haben diese Jahrtausende alte Praxis vor einigen Jahren wieder aufgegriffen und tragen den Dialoggedanken, der im Massachusetts Institute of Technologie (MIT) in den USA weiterentwickelt wurde, seither in ihren Seminaren und Trainings in die Welt hinaus. Von Ihnen können wir auch lernen, wie wichtig es als Führungskraft ist, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ständig im Austausch und in einem guten Dialog zu sein und immer wieder auch die richtigen Fragen zu stellen. Ein paar davon, die Ihnen im Firmenalltag zu unterschiedlichsten Fragestellungen weiterhelfen, finden Sie in folgender Aufstellung.

Stellen Sie die richtigen Fragen!

Faktum ist, wer die richtigen Fragen stellt, kommuniziert gut und führt empathisch. Auch in Krisenzeiten.

  • Was beschäftigt uns gerade?
  • Welche Relevanz hat dieses Ereignis für uns?
  • Was macht das Gefühl, das wir gerade haben, mit uns?
  • Was ist das Gute im Schlechten?
  • Was ist gut an der aktuellen Situation? Was soll nach der Krise bleiben?
  • Was ist störend/belastend?
  • Wie können wir damit umgehen, damit es uns weniger belastet?
  • Was treibt uns an? Die Menschlichkeit oder Profit?
  • Was ist unsere Vision für die Zukunft (in einem Jahr, in 5 Jahren, in 10 Jahren)?
  • Was sind unsere Werte? – Botschaften zur Identifikation ableiten (weniger ist mehr!)
  • Was ist unsere Mission (Purpose) – WARUM machen wir das, was wir machen?
  • Wo bekommen wir den Glauben an uns selbst her?
  • Was brauchen wir in Zeiten wie diesen, um mit Mut in die Zukunft zu schauen?
  • Was kann ich tun, um mehr Mut zu haben?
  • Wie kann ich den anderen mehr Mut machen?
  • Was brauche ich von den anderen, um mehr Mut zu haben?
  • Wenn wir an der aktuellen Situation etwas ändern wollen, was sollte aber unbedingt so bleiben wie es jetzt ist?
  • Woran kann ich erkennen, dass das, was wir als gut und bleibend identifiziert haben, nach der Änderung auch tatsächlich noch da ist?
  • Wodurch können wir ziemlich zuverlässig erreichen, dass das aktuelle Problem, das uns behindert, nicht gelöst wird?
  • Was können wir aktuell beeinflussen, was nicht?
  • Welche Ressourcen haben wir zur Problemlösung, die wir verstärken können?
  • Womit müssen wir fertig werden, wenn wir das Ziel schon erreicht hätten?
  • Wie können wir uns auf Handlungen konzentrieren, die wir beeinflussen können?
  •  

Und speziell, wenn es um die Ambiguitätstoleranz (Widersprüche aushalten) und einen gemeinsamen Blick.

  • Was habe ich beobachtet, gesehen, gehört? Wie fühle ich mich dabei?
  • Was denke ich, dass hier los ist? Was sind die Geschichten in meinem Kopf dazu? Welche Überzeugungen liegen meinem Denken zugrunde? Welche (Vor-)Urteile?
  • Was will ich erreichen – für mich/ für andere? Was sind meine Anliegen/Wünsche/Sehnsüchte. Was will ich verhindern/vermeiden?
  • Gibt es Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die ich an anderen nicht mag?
  • Welche Eigenschaften oder Verhaltensweisen mag ich an mir? Welche fehlen mir, würden mir aber guttun?
 

Literaturtipps zum Thema

  • Braun, Konrad (2022), Systemische Fragetechniken, Die Kunst der Fragen
  • Konrad, Edith (2019), Selbstmanagement und Interaktion, Eine Gebrauchsanweisung
  • Rosenberg, Marshall B. (2013), Gewaltfreie Kommunikation, 11. überarbeitete und erweiterte Neuauflage, Junfermann, Paderborn
  • Rosenberg, Marshall B., Seils, Gabriele (2005), Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation, Ein Gespräch mit Gabriele Seils. 5. Auflage, Herder, Freiburg/Basel/Wien
  • Scharmer, Otto C. (2009), The Theorie U, Von der Zukunft her führen, Presencing als soziale Technik, Heidelberg, Carl Auer Verlag
  • Schwinning, Georg (2016), Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit in Unternehmen: Wahre Situationen und handfeste Lösungen (Haufe Fachbuch)
  • Sedmak, Clemens (2015), Das Gute leben, Von der Freundschaft mit sich selbst, 3. Auflage, Innsbruck, Tyrolia
  • Senge, Peter M (2008), Die Fünfte Disziplin, Kunst und Praxis der lernenden Organisation, Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag
  • Seliger, Ruth (2014), Das Dschungelbuch der Führung, Ein Navigationssystem für Führungskräfte, 5. Auflage, Heidelberg, Carl Auer Verlag
  • Seligman, Martin (2015), Wie wir aufblühen: Die fünf Säulen des persönlichen Wohlbefindens
  • Storch, Maja, Tschacher, Wolfgang (2014), Emodied Communication, Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf, Huber Verlag, München
  • Storch, Maja, Cantieni, Benita, Hüther, Gerald, Tschacher, Wolfgang (2010), Embodiment, Die Wechselwirkung von Körper und Psyche, verstehen und nutzen, 2. Auflage, Bern, Verlag Hans Huber