Gedanken einer Lehrerin zur aktuellen Corona-Krise. Von Birgit Konrad

Ich bin seit nicht ganz 30 Jahren im Schuldienst tätig und mit Begeisterung Lehrerin. Schule begleitet nicht quasi schon mein ganzes Leben lang, zuerst als Schülerin, als Studentin in der Pädagogischen Hochschule und dann halt als Lehrerin. Dass es einmal zu so einem außerordentlichen Ausnahmezustand kommen würde, das hätte mit Sicherheit niemand für möglich gehalten.

Aber besondere Situationen bedingen besonders Reaktionen. Ich denke, das A und O ist derzeit, dass man einen Perspektiven-Wechsel zulässt. Es ist wichtig, dass sich Lehrer in die Situation der Schüler hinein denken aber auch umgekehrt. Auch für uns Pädagogen ist die Situation derzeit neu und eine große Herausforderung. Einerseits will man die Kinder bestens vorbereiten für diverse Schulabschlüsse, Schulübertritte usw. Andererseits muss man Verständnis aufbringen dafür, dass man teilweise den Kindern zu viel zumutet, in unterschiedlichen Fächern unterschiedliche Plattformen zu nutzen ist schon eine Frage des technischen Know-how, das viele nicht besitzen. Oft sind auch in den Familien die technischen Gegebenheiten nicht vorhanden.

Von unserem Dienstgeber wurde und wird an uns Lehrer der Auftrag erteilt, mit allen Kindern Kontakt zu halten und auch Leistungsnachweise der Kinder einzufordern. Natürlich wollen wir das auch. Wie gesagt, es geht bei den Kindern natürlich um zukünftige Lebenswege, die wird bestmöglich vorbereiten sollen und so entsteht für viele Jugendliche der Stress, in allen Fächern unterschiedlichste Lehrer zu erreichen und mit ihren Arbeiten zu versorgen. Bitte liebe Schüler und Schülerinnen seid uns nicht böse, auch für uns ein Lernfeld, das wir noch nicht perfekt im Griff haben.

Ich habe den Eindruck, dass sich der Großteil der Schülerinnen und Schüler wirklich bemüht, das Beste aus der neuen Lernsituation zu machen und es wirklich nur ein paar vereinzelte sind, die man jetzt zurücklassen muss, weil diese denken, man habe jetzt Ferien und wir keine Möglichkeit haben, sie zu erreichen. Aber seien wir ehrlich, diese Situation kennt man ja auch aus der Klasse, wirklich alle zu erreichen, immer zu 100 Prozent,  das schafft man bei weitem nicht immer.

Ich denke, dass es sehr hilfreich ist, wenn man mal gedanklich als Lehrer in die Rolle des Schülers schlüpft und umgekehrt, der Perspektiven-Wechsel hilft Verständnis zu erzielen und durch Verständnis bekommt man einen klareren Blick auf das Wesentliche, nämlich darauf, dass wir gemeinsam diese schwierige Situation meistern und gestärkt daraus hervorgehen werden. Wir müssen keine Angst vor der Zukunft haben, den alles wird gut, wenn man zusammen hält, zusammen arbeitet, gegenseitiges Verständnis aufbringt und es zulässt, dass es halt jetzt einmal ein bisschen anders ist. In diesem Sinne, kommen Sie, liebe Erwachsene und kommt ihr, liebe Kinder gut und gesund durch die Zeit. Wir brauchen jetzt mehr den je und die Zuversicht, dass wir im Schulbereich keinen Schiffbruch erleiden werden.

Übung zum Perspektiven-Wechsel für Groß und Klein

Setzen Sie sich gegenüber, an einem Tisch oder auch am Boden. Nehmen Sie einen Geldschein – zum Beispiel einen 5 Euro-Schein oder einen 10 Euro-Schein. Halten Sie diesen waagrecht zwischen sich und Ihr Gegenüber, sodass jeder eine Seite des Scheines sieht. Dann beschreiben Sie sich gegenseitig möglichst detailgetreu, was Sie sehen, ohne die Zahl zu benennen. Sie werden relativ rasch erkennen, dass Sie zwar das selbe Ding beschreiben, jedoch jeweils aus einer anderen Perspektive. Beide Beschreibungen sind richtig, Sie können die Probe aufs Exempel machen und den Schein wenden. Versuchen Sie, diesen Perspektiven-Wechsel in den Alltag einzubauen und auch immer wieder in der Praxis zu üben. Nach einer Weile werden Sie merken, dass Sie diese Haltung verinnerlichen und in verschiedensten Situationen anders als gewohnt reagieren können und auch mehr Empathie in die soziale Interaktion einbringen können.